Urteil in dem Verfahren BvR 44

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Manfred Klausbrück

  • In dem Verfahren

    über die

    Verfassungsbeschwerde



    - Beschwerdeführer -

    Rainer Ehrlichmann


    Beschwerdegrund:

    Verwaltungsakt des Deutschen Bundestages; Abgelehnte Beschwerde beim Deutschen Bundestag


    hat der Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts


    unter Mitwirkung der Richter

    Phelps,

    Lanßen,


    am 01.04.2021 nach mündliche Verhandlung entschieden:


    Die Entscheidungen der Ausschüsse über die Drucksachen DS 3/004 und DS 3/010 sind nichtig.


    Der Beschluss des Bundestages über den Gesetzentwurf der Drucksache DS 3/004 i. V. m. DS 3/015 und DS 3/010 i. V. m. DS 3/016 sind nichtig.


    Abstimmungen über Ausschussvorsitzende des Präsidialausschusses und des Ausschusses für Gemeinwesen aus der konstituierenden Sitzung dieser Ausschüsse für den 3. Deutschen Bundestag sind nichtig.


    Der Ausschuss für Gemeinwesen und der Präsidialausschuss sind unter Ladung aller Abgeordneten, die diesen Ausschüssen angehören, unter Festlegung einer angemessenen Frist neu zu konstituieren.


    Der Beschluss über Einstweilige Anordnung zum Verfahren BvR 44 vom 08.03.2021 ist mit diesem Urteil aufgehoben.


    G r ü n d e :


    Der Beschwerdeführer richtet sich mit seiner Klage gegen den Verwaltungsakt des Deutschen Bundestages, in dem seine Beschwerde gegen die Wahlen, die mit der Konstituierung des Präsidialausschusses und des Ausschusses für Gemeinwesen für den Dritten Deutschen Bundestag zusammenhingen und die damit verbundenen Abstimmungen in diesen Ausschüssen über die Drucksachen DS 3/004 und DS 3/010 sowie die Abstimmungen des Deutschen Bundestages über die Drucksachen DS 3/015 und DS 3/016 und die Abstimmung der von dem Beschwerdeführer im Parlament eingebrachten DS 3/017, bei der er sich über diesen von ihm behaupteten Umstand beschwerte und hingegen der Gegenvorschlag, mit der Drucksache DS 3/018, der zum Inhalt hatte, den Antrag des Beschwerdeführers abzulehnen, angenommen wurde. Der Beschwerdeführer sieht sich in seinen grundrechtsgleichen Rechten aus Art. 38 Abs. 1 GG verletzt.


    Die Klage ist zulässig.


    Das Gericht sieht es als richtig an, dass die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung vorliegt. Der Ausschussarbeit kommt der parlamentarischen Tradition in Deutschland eine sondere Bedeutung zu. Ein wesentlicher Teil der Informations-, Kontroll- und Untersuchungsaufgaben des Bundestages wird durch Ausschüsse wahrgenommen, die auf diese Weise in die Repräsentation des Volkes durch das Parlament einbezogen sind. Dies prägt den allumfassenden Bereich der parlamentarischen Willensbildung, weswegen grundsätzlich jeder Ausschuss ein verkleinertes Abbild des Plenums sein und in seiner Zusammensetzung die Zusammensetzung des Plenums widerspiegeln muss (vgl. BVerfGE 80, 221 f.). Dieser Grundsatz der Spiegelbildlichkeit verlangt auch, dass Abgeordnete die Möglichkeit haben müssen zu den Ausschusssitzungen gehen zu können. Dies schließt auch konstituierende Sitzungen mit ein.


    Der Beschwerdeführer ist auch selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen.


    Form und Fristen wurden eingehalten, gemäß § 93 Abs. 1 BVerfGG.


    Ein Rechtsweg steht dem Beschwerdeführer nicht offen; alle Rechtsmittel in Rahmen des Bundestages wurden mit der Beschwerde mit der Drucksache DS 3/017 erschöpft. Die Klage ist ferner begründet.


    Das Gericht sieht es als begründet an, dass der Beschwerdeführer in seinen Rechten aus Art. 38 Abs. 1 GG verletzt wurde. Die in § 58 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages festgelegte Frist hat den Zweck der Qualitätssicherung der parlamentarischen Arbeit und Willensbildung. Sie ist insbesondere wichtig, damit sich die Abgeordneten auf die Sitzungen im Ausschuss vorbereiten können. Im vorliegenden Fall, wurde die Tagesordnung durch den Parlamentarischen Geschäftsführer nicht innerhalb dieser Frist an den Beschwerdeführer weitergeleitet. Ein Verschulden des Parlamentarischen Geschäftsführers ist jedoch nur dann beachtlich, wenn dieser vorsätzlich oder fahrlässig die in seiner Arbeit erforderliche Sorgfalt außer acht lässt. Dies sieht das Gericht nicht als erwiesen an.


    Auch wenn es dem Parlamentarischen Geschäftsführer, der für die Bekanntgabe der Tagesordnung für den Beschwerdeführer zuständig war möglich gewesen wäre, diese schneller an den Beschwerdeführer weiterzuleiten, so ist jedoch eine dem Abgeordneten nicht bekannte Fristverkürzung nicht diesem zuzurechnen, dies wäre nämlich nur der Fall, wenn ihm diese Fristverkürzung, die Beschlossen wurde mitgeteilt wurde und er sich nicht unverzüglich gegen diese Fristverkürzung erhebt und so sein Nichteinverständis anzeigt. Hätte der Beschwerdeführer von dieser Verkürzung Kenntnis gehabt, so hätte ihn das eigene Verschulden getroffen. Dies ist jedoch nicht der Fall.


    Dem Beschwerdeführer ist die Mitteilung zugegangen. Innerhalb von vierundzwanzig Stunden ist mit dem Zugang einer solchen Erklärung bei geschäftsmäßiger Sorgfalt zu rechnen. Der Beschwerdeführer hatte deshalb vor der Sitzung Kenntnis von dieser oder hätte sie haben müssen. Dies rechtfertigt allerdings nicht, dass die Fristverkürzung auf ein Drittel der beanschlagten Zeit gerechtfertigt ist und das der Abgeordnete, bei Versäumnis dafür selbst verantwortlich ist. Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer Kenntnis von der Erklärung hätte haben müssen, ist unter Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit des Abgeordneten und der Sicherung der parlamentarischen Arbeit in den Ausschüssen, die eklatant wichtig für die Arbeit der Abgeordneten ist, dem Schutz der parlamentarischen Arbeit unterzuordnen. Ein festgelegter Zeitrahmen soll auch als ein solcher genutzt werden.


    Eine besondere Notwendigkeit für ein zeitiges Einsetzen der Ausschüsse lag nicht vor. Dass für die Ausschüsse Arbeit zu tun wäre rechtfertigt nicht ein überschnelles Einsetzen dieser, wenn die Arbeit darin besteht, dass die Ausschüsse ihrer gewohnten und für sie üblichen Tätigkeiten nachgehen. Die Arbeit an Gesetzesentwürfen ist eine der Hauptarbeiten der Ausschüsse und rechtfertigt grundsätzlich nicht, dass die Arbeit verfrüht anfangen soll.



    Das Urteil ist unanfechtbar.


    Phelps Lanßen

  • Cole Phelps

    Hat das Label Urteil rechtskräftig hinzugefügt.