Gesetz zur Selbstbestimmung über die Geschlechtsidentität (Geschlechtsidentitätsgesetz – GiG)

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Manfred Klausbrück

  • § 2 Selbstbestimmung über die Geschlechtszuordnung, Wahrung der Geschlechtsidentität, Rechte


    (1) Jede Person hat das Recht auf freie Entwicklung der Persönlichkeit entsprechend ihrer Geschlechtsidentität.


    (2) Niemand darf wegen der Geschlechtsidentität oder Geschlechtszuordnung körperlich oder seelisch misshandelt oder diskriminiert werden.


    (3) Die rechtliche Geschlechtszuordnung unterliegt der Selbstbestimmung als höchstpersönliches Recht.


    (4) Jede Person hat das Recht auf Achtung und respektvolle Behandlung entsprechend der eigenen Geschlechtsidentität sowie darauf, anhand ihrer persönlichen Dokumente entsprechend identifiziert zu werden.


    (5) Der Staat schützt die ungehinderte und diskriminierungsfreie Ausübung der Rechte nach diesem Gesetz und fördert die gleichberechtigte Teilhabe unabhängig von der Geschlechtsidentität und der Geschlechtszuordnung.


    (6) Das Recht auf freie Entwicklung der Persönlichkeit entsprechend der Geschlechtsidentität umfasst das Recht, über die Durchführung medizinischer Maßnahmen zur Modifizierung des eigenen Körpers im Hinblick auf Erscheinung und körperliche Funktionen unbeeinträchtigt und selbstbestimmt zu entscheiden.

  • § 3 Erklärung zur Geschlechtszugehörigkeit und Namensführung


    (1) Personen, deren Personenstandseintrag von ihrer Geschlechtsidentität abweicht, können gegenüber dem zuständigen Standesamt erklären, dass die Angabe zu ihrem Geschlecht in einem deutschen Personenstandseintrag durch eine andere in § 22 Absatz 3 des Personenstandsgesetzes vorgesehene Bezeichnung ersetzt oder gestrichen werden soll. Liegt kein deutscher Personenstandseintrag vor, können sie gegenüber dem Standesamt erklären, eine der in § 22 Absatz 3 des Personenstandsgesetzes vorgesehenen Bezeichnungen für sie zu verwenden oder auf die Angabe einer Geschlechtsbezeichnung zu verzichten, wenn sie Deutsche im Sinne des Grundgesetzes sind oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben.


    Mit der Erklärung können auch neue Vornamen bestimmt werden und geschlechtsspezifische Nachnamen und Bestandteile von Nachnamen geändert werden. Die Erklärungen müssen öffentlich beglaubigt werden; sie können auch von den Standesbeamten beglaubigt oder beurkundet werden.


    Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit sollen bei der Abgabe ihre Kenntnis darüber bestätigen, dass es von den im Herkunftsstaat geltenden Vorschriften abhängig ist, ob eine Anerkennung der nach diesem Gesetz erfolgten Änderung von Namen oder der Geschlechtszuordnung erfolgt und welche Rechtsfolgen hieran geknüpft werden.


    (2) Die Erklärung nach Absatz 1 kann nur persönlich abgegeben werden. Bei Minderjährigen bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres bedarf die Erklärung der Zustimmung der sorgeberechtigten Person. Stimmt die sorgeberechtigte Person nicht zu, so ersetzt das Familiengericht die Zustimmung im Verfahren, wenn die Änderung der Geschlechtszugehörigkeit oder des Namens dem Kindeswohl nicht widerspricht; das Verfahren vor dem Familiengericht ist eine Kindschaftssache nach Buch 2 Abschnitt 3 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.


    (3) Die Feststellung, dass der Personenstandseintrag von der Geschlechtsidentität abweicht, obliegt der antragstellenden Person. Die erklärende Person hat gegenüber den Standesbeamten zu versichern, dass sie sich der Bedeutung und Tragweite ihrer Entscheidung zur Wahl eines anderen oder keines Geschlechtseintrages im Personenstandsregister sowie der Änderung des oder der Namen hinreichend bewusst ist. Dabei genügt es, dass die erklärende Person zur Bildung und Betätigung eines natürlichen Willens im Stande ist. Absatz 2 bleibt unberührt.


    (4) Für die Entgegennahme der Erklärung ist das Standesamt zuständig, das das Geburtenregister für die betroffene Person führt. Ist die Geburt nicht in einem deutschen Geburtenregister beurkundet, so ist das Standesamt zuständig, das das Eheregister oder Lebenspartnerschaftsregister der Person führt. Ergibt sich danach keine Zuständigkeit, so ist das Standesamt zuständig, in dessen Zuständigkeitsbereich die Person ihren Wohnsitz hat oder zuletzt hatte oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Ergibt sich auch danach keine Zuständigkeit, so ist das Standesamt I in Berlin zuständig. Das Standesamt I in Berlin führt ein Verzeichnis der nach den Sätzen 3 und 4 entgegengenommenen Erklärungen.


    (5) Das Standesamt stellt der erklärenden Person eine Urkunde über die Änderung des Personenstandseintrages aus. Auf Antrag erhalten auch Personen, deren Personenstandseintrag nach dem Transsexuellengesetz oder § 45b des Personenstandsgesetzes geändert worden ist, eine solche Urkunde.

  • § 5 Wirkungen der Entscheidung


    Ab dem Zeitpunkt der Entgegennahme der Erklärung durch das Standesamt, dass die erklärende Person als einem anderen oder keinem Geschlecht im Sinne des § 22 Absatz 3 des Personenstandsgesetzes zugehörig anzusehen ist, im Falle der entsprechenden Anwendung des § 49 des Personenstandsgesetzes ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung, richten sich ihre vom Geschlecht abhängigen Rechte und Pflichten nach dem neuen Geschlecht, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

  • § 7 Offenbarungsverbot


    (1) Ab dem Zeitpunkt der Entgegennahme einer Erklärung gemäß § 3 Abs. 1 durch das Standesamt dürfen die von der erklärenden Person zuvor geführten Namen von niemandem in diskriminierender oder schädigender Absicht verwendet werden oder darf sich von niemandem in diskriminierender oder schädigender Absicht auf die vorherige Geschlechtszuordnung der erklärenden Person bezogen werden.


    (2) Die vor Entgegennahme der Erklärung geführte Geschlechtszuordnung und die zuvor geführten Namen dürfen ohne Zustimmung der erklärenden Person nicht offenbart oder ausgeforscht werden, es sei denn, dass besondere Gründe des öffentlichen Interesses oder ein glaubhaft gemachtes rechtliches Interesse dies erfordern.


    (3) Frühere Ehe- oder Lebenspartner, die Eltern, die Großeltern, die Geschwister und die Abkömmlinge der antragstellenden Person sind nur dann verpflichtet, die neuen Vornamen anzugeben, wenn dies für die Führung öffentlicher Bücher und Register erforderlich ist. Dies gilt nicht für Kinder, die die antragstellende Person nach der Erklärung gemäß § 3 Abs. 1 angenommen hat.


    (4) Staatliche Stellen und private Einrichtungen unterstützen die erklärende Person dabei, personenbezogene Daten, die noch unter dem vor der Erklärung gemäß § 3 Abs. 1 geführten Namen oder der zuvor geführten Geschlechtsidentität gespeichert sind, von diesen Bezügen zu befreien. Die Regelungen des Datenschutzrechts, insbesondere zur Löschung und Berichtigung personenbezogener Daten, bleiben unberührt.


    (5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für Personenstandseinträge, die aufgrund der Vorschriften des Transsexuellengesetzes oder § 45b des Personenstandgesetzes geändert worden sind.

  • § 8 Anspruch auf Dokumenten- und Datenberichtigung


    (1) Die nach einer Änderung des Namens oder der Geschlechtszuordnung von Amts wegen erfolgenden Änderungen in amtlichen Registern erstrecken sich auf von der Geschlechtszuordnung abgeleitete Buchstaben oder Zahlenkombinationen.


    (2) Unter Vorlage der Personenstandsänderungsurkunde nach § 3 Abs. 5 sind amtliche und nichtamtliche Dokumente, die vor der Änderung der Namen oder des Geschlechtseintrags ausgestellt wurden, den Änderungen entsprechend erneut auszustellen. Verantwortlich zur erneuten Ausstellung der Dokumente ist die öffentliche oder private Stelle oder Person, die das Ursprungsdokument ausgestellt hat oder, wenn diese Stelle nicht in der Lage, das Dokument erneut auszustellen, die Stelle oder Person, die zur Ausstellung einer Zweitschrift befugt ist. Vom Dokumenten- und Datenberichtigungsanspruch erfasst sind auch von der Geschlechtszuordnung abgeleitete Buchstaben- oder Zahlenkombinationen. Als Ausstellungsdatum des erneuerten Dokuments ist das Datum des ursprünglichen Dokuments zu vermerken.

  • § 9 Renten und vergleichbare wiederkehrende Leistungen

    Änderungen der Geschlechtszuordnung lassen in ihrem Zeitpunkt bestehende Ansprüche auf Renten und vergleichbare wiederkehrende Leistungen unberührt. Bei einer sich unmittelbar anschließenden Leistung aus demselben Rechtsverhältnis ist, soweit es hierbei auf das Geschlecht ankommt, weiter von den Bewertungen auszugehen, die den Leistungen bei Abgabe der Erklärung gegenüber dem Standesamt zugrunde gelegen haben. Ansprüche auf Leistung aus der Versicherung oder Versorgung eines früheren Ehegatten werden durch die Abgabe der Erklärung, sofern es für diese Ansprüche auf das Geschlecht der betroffenen Person ankommt, nicht begründet.

  • § 10 Verbot genitalverändernder chirurgischer Eingriffe


    (1) Eltern können nicht in einen operativen Eingriff an den inneren oder äußeren Geschlechtsmerkmalen ihrer Kinder einwilligen, wenn dies zu einer Veränderung der Genitalien führt; §1909 BGB ist nicht anzuwenden. Dies gilt nicht, wenn der Eingriff zur Abwendung einer Gefahr für das Leben oder einer erheblichen Gefahr für die Gesundheit des Kindes erforderlich ist. In diesem Fall bedarf die Einwilligung der Genehmigung des Familiengerichts.


    (2) Ein Kind, das das 14. Lebensjahr vollendet hat, kann abweichend von Absatz 1 Satz 1 in einen operativen Eingriff an den inneren oder äußeren Geschlechtsmerkmalen einwilligen. Die Einwilligung nach Satz 1 bedarf zusätzlich der Einwilligung der sorgeberechtigten Person oder der Genehmigung des Familiengerichts. Das Familiengericht erteilt die Genehmigung, wenn das Kind einwilligungsfähig ist und der Eingriff dem Wohl des Kindes nicht widerspricht. Der Eingriff widerspricht in der Regel dem Wohl des Kindes, wenn keine Beratung des Kindes stattgefunden hat.


    (3) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 hat die behandelnde Person nach § 630a BGB die Patientenakte des Kindes für die Dauer von 30 Jahren nach Abschluss der Behandlung aufzubewahren.

  • § 11 Aufklärung und Beratung


    (1) Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung konzipiert, erstellt und verbreitet alters- und zielgruppenspezifische Informationsmaterialien zur Aufklärung und Sensibilisierung über die Rechte nach diesem Gesetz und ihre gesellschaftspolitischen Fragestellungen. Bei der Erstellung und Konzeption sind die zuständigen Stellen in den Bundesländern, Interessenvertretungen sowie Vertretungen von Beratungseinrichtungen, die zum Zwecke des Schutzes der freien und selbstbestimmten Entwicklung der Geschlechtsidentität und der Vermeidung gesundheitsschädigender Beeinträchtigungen des geschlechtlichen Selbstbestimmungsrechts arbeiten, einzubeziehen.


    (2) Jede Person hat das Recht, sich zu Fragen der Geschlechtsidentität, der Ausübung des Selbstbestimmungsrechts der Geschlechtszuordnung und des diskriminierungsfreien Umgangs mit Personen, die dieses Recht in Anspruch nehmen, von einer hierzu geeigneten Beratungsstelle auf Wunsch anonym informieren und ergebnisoffen beraten zu lassen.


    (3) Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend koordiniert die Sammlung und Veröffentlichung von nationalen und regionalen Beratungsangeboten und Materialien nach diesem Gesetz.


    (4) Die Länder stellen ein ausreichendes Angebot wohnortnaher Beratungsstellen für die Beratung sicher. Dabei werden auch Beratungsstellen freier Träger gefördert, insbesondere solche Stellen, in denen über die Zusammenarbeit mit Personen, die eigene Erfahrungen mit der Ausübung ihrer geschlechtlichen Selbstbestimmung haben, eine besondere Sensibilisierung besteht.

  • § 12 Ordnungswidrigkeiten


    (1) Ordnungswidrig handelt, wer 1. vorsätzlich entgegen § 7 Abs. 1 in diskriminierender oder schädigender Absicht den zuvor geführten Namen einer erklärenden Person verwendet oder sich in diskriminierender oder schädigender Absicht auf die vorherige Geschlechtszuordnung dieser Person bezieht oder 2. ohne hierzu berechtigt zu sein, vorsätzlich oder grob fahrlässig gegen ein Offenbarungsverbot gemäß § 7 Absatz 2 verstößt.


    (2) Ordnungswidrigkeiten nach Absatz 1 können mit einer Geldbuße bis zu zweitausendfünfhundert Euro geahndet werden.


    (3) Verwaltungsbehörde im Sinne des § 36 Absatz 1 Nummer 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ist die von der Landesregierung bestimmte Behörde. Die Landesregierung kann die Ermächtigung auf die zuständige oberste Landesbehörde übertragen.