Bundesrat | Drucksache 05/04.2021 |
10.04.2021 |
Gesetzentwurf
der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetztes zur Zusammenführung von Krebsregisterdaten
A. Problem und Ziel
Krebserkrankungen sind nach wie vor eine der größten Herausforderungen für die moderne
Medizin. Dank großer Fortschritte bei Früherkennung, Diagnostik, Therapie und Nachsorge
haben sich die Überlebenschancen und die Lebensqualität krebskranker Menschen in
Deutschland in den letzten Jahrzehnten erheblich verbessert. Unter anderem ist das bessere Verständnis der Krankheitsprozesse, das auch zu gezielteren Behandlungsverfahren
führt, ein wesentlicher Grund dafür. Doch immer noch ist Krebs die zweithäufigste Todesursache in Deutschland und gehört zu den am meisten gefürchteten Krankheiten in der
Bevölkerung. Aufgrund der zu erwartenden Alterung unserer Gesellschaft wird die Zahl der
Neuerkrankten von heute 500 000 pro Jahr bis zum Jahr 2030 voraussichtlich auf etwa 600
000 ansteigen.
Bereits seit vielen Jahren sind flächendeckende Registerdaten zur Häufigkeit von und
Sterblichkeit durch Krebserkrankungen sowie zur Tumorstadienverteilung und zu Überlebensraten verfügbar (epidemiologische Krebsregistrierung), die im Zentrum für Krebsregisterdaten beim Robert Koch-Institut (ZfKD) zusammengeführt werden. Kennzeichnend für
diese Register ist der Bevölkerungsbezug. Seit dem Jahr 2013 wurden in allen Ländern
klinische Krebsregister aus- oder aufgebaut, die zusätzlich die detaillierte Therapie und den
gesamten Verlauf der Erkrankung erfassen. Der Fokus dieser Register liegt dabei auf der
Qualitätssicherung, der Verbesserung und der Weiterentwicklung der onkologischen Versorgung. Die Perspektive ist eher behandlungs- als bevölkerungsbezogen.
Um das Nutzenpotential der Krebsregisterdaten noch besser ausschöpfen zu können, stellt
sich verstärkt die Anforderung, die erfassten klinischen und epidemiologischen Krebsregisterdaten zusammenzuführen. Zunehmend können Forschungs- und Versorgungsfragen,
auch in der Onkologie, mit herkömmlichen Studiendesigns nicht mehr ausreichend beantwortet werden. Qualitativ hochwertige bundesweit verfügbare Registerdaten zu klinischen
Behandlungsverläufen werden deshalb immer öfter zur systematischen, patientenübergreifenden Auswertung von Krankheitsauftreten und -verläufen herangezogen. Darüber hinaus
können sie perspektivisch zur Wirksamkeits- und Nutzenbewertung von Behandlungsmaßnahmen und Therapieregimes, insbesondere unter den Bedingungen der Routineversorgung (Versorgungsforschung), genutzt werden. Der Gesetzentwurf verfolgt daher das Ziel,
die Zusammenführung der klinischen und epidemiologischen Krebsregisterdaten und damit
auch deren bundesweite Verfügbarkeit zu verbessern
B. Lösung
Um Krankheitsprozesse besser zu verstehen, um die Versorgung von Tumorpatientinnen
und Tumorpatienten zu verbessern und um die Forschung in der Onkologie signifikant zu
stärken, regelt der Gesetzentwurf die Zusammenführung der klinischen und epidemiologischen Daten der Krebsregister der Länder in einem zweistufigen Prozess.
Der auf Basis des geltenden Bundeskrebsregisterdatengesetzes (BKRG) von den Krebsregistern der Länder an das ZfKD zu liefernde epidemiologische Datensatz soll in einer ersten
Stufe um weitere Daten der klinischen Krebsregistrierung, insbesondere zur Therapie und
zum Verlauf der Erkrankung, erweitert werden. Personenbezogene Angaben zu den Meldern werden nicht übermittelt. Angaben zu der an Krebs erkrankten Person bleiben auf die
wenigen Angaben beschränkt, die bereits auf der Grundlage des geltenden BKRG an das
ZfKD übermittelt werden. Die Daten beim ZfKD sollen wie bisher zu Forschungszwecken
nutzbar sein. Damit wird bereits in der ersten Stufe sowohl für die Gesundheitsberichterstattung des Bundes als auch für die Forschung ein substanzieller Mehrwert durch die Bereitstellung eines erweiterten Datensatzes geschaffen. Dadurch werden genauere Beschreibungen des Versorgungsgeschehens, der Krankheitslast und des Versorgungsbedarfs ebenso ermöglicht wie eine bessere Einschätzung der Prognose von an Krebs Erkrankten sowie regionale Vergleiche von Therapieregimes und Überlebensraten. Die verbesserten Nutzungsmöglichkeiten der Krebsregisterdaten leisten so einen Beitrag zur Optimierung und Weiterentwicklung der onkologischen Versorgung.
Der Gesetzentwurf schafft darüber hinaus Grundlagen dafür, dass in einer zweiten Stufe
zusätzliche, in der ersten Stufe nicht verfügbare Daten für Forschung und Versorgung genutzt werden können. Im Mittelpunkt der zweiten Stufe stehen patienten- und leistungserbringerbezogene Auswertungsmöglichkeiten. Ziel der zweiten Stufe ist die anlassbezogene
registerübergreifende Zusammenführung von klinischen Krebsregisterdaten durch Schaffung eines kooperativen Datenverbunds der Krebsregister mit dem ZfKD und klinisch-wissenschaftlich tätigen Akteuren aus Versorgung und Forschung. Zentraler Baustein dieses
Datenverbunds soll eine Plattform sein, die eine bundesweite anlassbezogene Datenzusammenführung und Analyse der Krebsregisterdaten aus den Ländern sowie eine Verknüpfung von Krebsregisterdaten mit anderen Daten ermöglicht, fachlich begleitet und gleichzeitig Expertise für eine klinisch-wissenschaftliche Auswertung der Krebsregisterdaten bereitstellt. Das ZfKD, die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren (ADT), die Deutsche
Krebsgesellschaft, die Krebsregister, die Deutsche Krebshilfe und Vertreter von Patientenorganisationen erhalten den gesetzlichen Auftrag, ein Konzept zur Schaffung dieser Plattform zu entwickeln. Ein weiterer Baustein der zweiten Stufe soll eine zentrale Antrags- und
Registerstelle beim ZfKD werden, die Forschenden den Zugang zu Krebsregisterdaten bundesweit vermittelt. Darüber hinaus wird die Zusammenführung von Krebsregisterdaten mit
Daten aus der Qualitätssicherung verbessert, indem der Datenabgleich der Krebsregisterdaten mit Daten aus organisierten Krebsfrüherkennungsprogrammen gangbarer gemacht
wird. Über die Qualitätssicherung hinaus können Krebsregisterdaten perspektivisch etwa
auch im Rahmen anwendungsbegleitender Datenerhebungen und Auswertungen zum
Zweck der Nutzenbewertung nach § 35a Absatz 3b des Fünften Buches Sozialgesetzbuch
genutzt werden.
Eine grundlegende Voraussetzung für die registerübergreifende Zusammenführung ist ein
bundesweit einheitlicher Datensatz. Dieser liegt mit dem einheitlichen onkologischen Basisdatensatz der ADT und der Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in
Deutschland (GEKID) bereits vor. Es wird geregelt, dass dieser einheitliche onkologische
Basisdatensatz regelmäßig aktualisiert werden muss, um die Krebsregistrierung auf dem
aktuellen Stand der Wissenschaft zu halten. Auf der Grundlage dieses Datensatzes müssen
darüber hinaus Festlegungen für eine technisch, semantisch, syntaktisch und organisatorisch interoperable Erfassung und Verarbeitung dieser Daten getroffen werden. Insgesamt
wird so die Nutzbarkeit der Krebsregisterdaten auch im Rahmen anderer Initiativen und
Vorhaben zur Sammlung onkologischer Daten gesteigert
C. Alternativen
Keine.
D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Für den Bund (ZfKD) entsteht ein einmaliger Mehrbedarf im Haushaltsjahr 2022 in Höhe
von 881 000 Euro sowie ein jährlicher Mehrbedarf ab dem Haushaltsjahr 2022 ff. in Höhe
von 1,759 Millionen Euro.
Etwaiger Mehrbedarf, der über die geltende Finanzplanung des Bundes hinausgeht, soll
finanziell und stellenplanmäßig in den jeweiligen Einzelplänen erwirtschaftet werden.
E. Erfüllungsaufwand
E.1 Erfüllungsaufwand für die Bürgerinnen und Bürger
Eine Veränderung des Erfüllungsaufwandes für Bürgerinnen und Bürger ist nicht zu erwarten.
E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft
Für die Wirtschaft wird mit einem einmaligen Erfüllungsaufwand von 196 000 Euro gerechnet sowie mit einer Erhöhung des jährlichen Erfüllungsaufwandes um 4 000 Euro. Davon
jährliche Bürokratiekosten aus Informationspflichten 4 000 Euro.
Der jährliche Erfüllungsaufwand der Wirtschaft in Höhe von 4 000 Euro kann im Sinne der
One in, one out-Regel der Bundesregierung kompensiert werden durch Entlastungen aus
dem Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungs-Gesetz.
E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung
Für den Bund (ZfKD) wird mit einem einmaligen Erfüllungsaufwand von 881 000 Euro gerechnet sowie mit einer Erhöhung des jährlichen Erfüllungsaufwandes um 1,759 Millionen
Euro.
Für den Bund (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik) wird mit einem einmaligen Erfüllungsaufwand von 32 000 Euro gerechnet sowie mit einer Erhöhung des jährlichen Erfüllungsaufwandes um 12 000 Euro.
Für die Länder und die Krebsregister der Länder wird mit einem einmaligen Erfüllungsaufwand in Höhe von 893 000 Euro sowie mit einer Erhöhung des jährlichen Erfüllungsaufwandes in Höhe von 146 000 Euro gerechnet.
Für die Selbstverwaltung wird mit einem einmaligen Erfüllungsaufwand von 314 000 Euro
gerechnet sowie mit keiner Veränderung des jährlichen Erfüllungsaufwandes.
F. Weitere Kosten
Keine