1 BvK 08/20 - Klage gegen § 24 Abs. 1 Landeswahlgesetz NRW

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Manfred Klausbrück

    • Offizieller Beitrag

    - 1 BvK 08/20 -


    Bundesverfassungsgericht



    In dem Verfahren


    über den Antrag festzustellen,



    dass der § 24 Abs. 1 Landeswahlgesetz NRW durch die Anordnung des Entzugs des Mandates gegen die Verfassung verstößt,


    Antragsteller: Pascal Helmig, Robin Grimm, Finn van der Speed, Ayaka Kuro sowie Dante Matteo Ecca Estellita

    Antragsgegner: Landesregierung NRW



    hat das Bundesverfassungsgericht – 1. Kammer des Ersten Senats –


    unter Mitwirkung der Richter


    Präsident von Bitburg


    Richter Phelps


    Richter Lanßen



    am 26.08.2020 ohne mündliche Verhandlung entschieden:



    Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.



    Zur Begründung:

    • § 24 Abs. 1 des Landeswahlgesetz NRW sieht gegenwärtig vor, das ein MdL nach dreimaliger, unentschuldigter, aufeinanderfolgender Abwesenheit von Sitzungen des Landtages, sein Mandat verliert. Ausgenommen hiervon sind Sondersitzungen.
    • Die Kläger tragen zutreffend vor, dass es sich bei dem Landtag NRW um ein arbeitendes Parlament handelt, so dass es Abgeordneten nicht immer möglich ist, den Plenarsitzungen beizuwohnen. Namentlich finden neben Plenarsitzungen auch Sitzungen der Fraktionen, Arbeitskreise, Ausschüsse, Untersuchungsausschüsse, Enquete-Kommissionen etc. pp. statt.
    • Einem Abgeordneten darf nicht aufgezwungen werden, wie er sein Mandat auszuüben hat. Dies leitet sich aus § 2 Abs. 1 S. 1 3. Alternative des Abgeordnetengesetzes NRW ab.
    • Die Aberkennung eines Mandates könnte zudem dazu führen, dass eine gewählte Liste erschöpft ist. Dies hätte zur Folge, dass sich die Mehrheitsverhältnisse im Parlament irreversibel ändern. Mithin gilt der Schutz des Mandates.
    • § 2 Abs. 1 S. 2 des Abgeordnetengesetzes NRW besagt jedoch deutlich, dass es sich um die Pflicht des Abgeordneten handelt, an den Plenar- und Ausschusssitzungen [...] teilzunehmen.
    • Dies soll die Arbeitsfähigkeit des Parlamentes sicherstellen. Insbesondere auch vor dem Hintergrund, als dass bei nicht ausreichender Teilnehmerzahl Plenarsitzungen nicht beschlussfähig sein können.
    • Aufgrund der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Parlamentes, Artikel 20 Abs. 2,3 GG i.V.m. Art. 70 Abs. 1 GG, somit des Plenums, muss diesem ein besonderer Schutz, aber auch eine besondere Pflicht beigemessen werden.
    • Dieser Pflicht genüg § 2 des Abgeordnetengesetzes. § 2 Abs. 1 S. 2 des Abgeordnetengesetzes NRW ist damit im besonderen Maße konform mit den Grundsätzen des Grundgesetzes.
    • Einem gewählten Abgeordneten des Landtages NRW stehen zudem nach §§ 5, 6 AbgG NRW Mittel für die unabhängige Mandatsausübung, die Bereitstellung eines Büros sowie die Beschäftigung von Mitarbeitern zu.
    • Ferner werden die Plenarsitzungen durch das Präsidium zum Teil weit im Vorfeld terminiert und bekanntgegeben.
    • Dem gewählten Volksvertreter, der aufgrund dieser Zuwendungen in der Ausübung seines Mandates finanziell unabhängig ist und sich zudem auf eine entsprechende personelle Ausstattung berufen kann, ist es daher zuzumuten, den im Vorfeld bekannten Plenarsitzungen beizuwohnen.
    • Es ist ihm jedenfalls zuzumuten, sich bei Kenntnis einer Verhinderung beim Präsidium abzumelden. Dies gilt umso mehr, als dass er hierbei keine Konsequenzen zu befürchten hat.
    • Sofern der Abgeordnete daher wiederholt nicht in der Lage sein sollte, trotz seiner exponierten Stellung und seiner Fraktion, Mitarbeiter etc. eine Verhinderung anzuzeigen, ist die Sanktionierung einer Pflichtverletzung des § 2 Abs. 1 S. 2 AbgG NRW nicht ausgeschlossen, wenn auch dort nicht explizit bezeichnet.
    • Sie ist dahingehend mit dem Grundgesetz vereinbar, als dass die Arbeitsfähigkeit des Parlamentes vom Grundgesetz als gegeben angesehen wird. Das leichtfertige "aufs Spiel setzen" dieser Arbeitsfähigkeit, das heißt insbesondere der Beschlussfähigkeit, ist somit sanktionierbar.
    • Der besonderen Stellung der Abgeordneten ist es zugleich zuzumuten, als Person des öffentlichen Lebens als gutes Beispiel zu wirken.
    • Das Wahlgesetz legt zudem eine hohe Hürde an den Verlust des Mandats, so führt erst das dreimalige unentschuldigte Fernbleiben zu einer Sanktion.
    • Einem Mandatsträger muss es aus vorgenannten Gründen möglich sein, sich bei Verhinderung bekannter Termine vorab entschuldigen zu können.
    • Mithin ist es als ultima ratio legitim, durch die Entziehung und Neuvergabe eines Mandates die Arbeitsfähigkeit eines Parlamentes sicherzustellen.



    Damit ist die Klage unbegründet und folglich abzuweisen.



    Der Beschluss ist unanfechtbar.



    von Bitburg


    Phelps


    Lanßen