Deutscher Bundestag | Drucksache 3/032 |
3. Wahlperiode | 17.03.2021 |
Antrag
des Abgeordneten Dr. Benjamin Weiß und der Fraktion der SPD
Agroforstwirtschaft fördern
Der Bundestag wolle beschließen:
1. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die Landwirtschaft in Deutschland steht gegenwärtig vor der großen Herausforderung,
sich an den Klimawandel anzupassen, die Biodiversität zu fördern und weiterhin Versorgungssicherheit, Produktivität und Wirtschaftlichkeit zu gewährleisten.
Agroforstwirtschaft, bei der Gehölze mit Ackerkulturen und/oder Tierhaltung auf der
gleichen Fläche kombiniert werden, kann zur Lösung dieser Aufgaben beitragen. Als
eine Form der multifunktionalen Landnutzung vereinen Agroforstsysteme viele Vorteile und stellen ebenso vielfältige und wichtige Ökosystemdienstleistungen bereit.
Hierzu zählen unter anderem Beiträge zum
• Klimaschutz – durch die Zunahme des im Boden gespeicherten Kohlenstoffs und
die verstärkte Kohlenstoffbindung der unter- und oberirdischen Holzmasse sowie
durch die Substitution fossiler Energieträger bei energetischer Nutzung der Holzbiomasse;
• Bodenschutz – durch Verminderung von Bodenerosion durch Wind und Wasser,
durch erhöhte Wasser- und Nährstoffspeicherfähigkeit aufgrund von Humusaufbau sowie durch die Förderung der Mikroorganismen und des Bodenlebens;
• Wasserschutz – durch Verminderung des Nährstoff- und Sedimenteintrags in
Oberflächengewässer sowie einen geringeren Stickstoffaustrag in das Grundwasser.
Darüber hinaus führen Agroforstsysteme, in Abhängigkeit der jeweiligen Standortfaktoren, zu einer Steigerung der
• Klimaanpassung der landwirtschaftlichen Betriebe durch die Erhöhung der Klimaresilienz der Fläche und der damit einhergehenden Ertragsstabilität, durch größere
Wasserverfügbarkeit für Feldfrüchte, durch ein eigenes besseres Mikroklima,
durch Windschutz und weniger potenzielle Verdunstung sowie durch den Schutz
vor Extremwetterereignissen;
• Standortproduktivität durch multifunktionale Flächennutzung und der damit vergrößerten Produktpalette des Betriebes, durch die Erhöhung der Biomasseerträge
je Flächeneinheit sowie durch das Senken des Ausfallsrisikos je Flächeneinheit
aufgrund der Diversifizierung im Anbau;
• effizienten Nutzung betrieblicher Ressourcen durch Einkommensdiversifizierung
der landwirtschaftlichen Betriebe, durch die effizientere Verteilung der Arbeitsspitzen, durch höhere Deckungsbeiträge aufgrund von zusätzlichen Erlösen, die
aus den Gehölzflächen generiert werden, sowie eine verbesserte Flächennutzungseffizienz durch den gezielten Gehölzanbau in schwierig zu bewirtschaftenden
Schlagabschnitten;
• Biodiversität durch Förderung der Biotopvielfalt und deren Vernetzung, durch Erhöhung des Strukturreichtums in der Agrarlandschaft und durch Schaffung von
Lebensräumen und Rückzugsmöglichkeiten für viele Tier- und Pflanzenarten;
• Akzeptanz und Wertschätzung der Landwirtschaft in der Öffentlichkeit durch vermehrte Bereitstellung von Umweltleistungen, eine größere Landschaftsvielfalt
und durch einen erhöhten Erholungsfaktor.
Für eine erfolgreiche Etablierung und Bewirtschaftung von Agroforstsystemen stehen
Landwirtinnen und Landwirten jedoch noch häufig vor erheblichen Hindernissen,
wodurch die Agroforstwirtschaft derzeit nicht als pflanzenbauliche Methode zur Erreichung klima- und umweltpolitischer Ziele eingesetzt werden kann.
Auf europäischer Ebene besteht bereits ein Gestaltungsspielraum für Agroforstsysteme in der 2. Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). So können gemäß Artikel
23 der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 privaten Landbesitzern, Gemeinden und deren
Vereinigungen die Bestandsetablierung und -ergänzung sowie eine jährliche Hektarprämie für fünf Jahre gewährt werden. Diese Investitionsförderung könnte mittels
Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen oder im Zuge der Förderung investiver Maßnahmen in Deutschland durch die Bundesländer umgesetzt und durch den Bund über die
Aufnahme von Agroforstwirtschaft als Fördertatbestand in den Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK)
kofinanziert werden. Darüber hinaus werden den EU-Mitgliedstaaten Agroforstflächen als Ökologische Vorrangflächen (ÖVF) gemäß Artikel 46 der Verordnung (EU)
Nr. 1307/2013 in den „Greening-Verpflichtungen“ erlaubt. Die Fördermöglichkeiten
der 1. und 2. Säule der GAP zeigen die potenzielle Bedeutung von Agroforstsystemen
für eine zukunftsfähige und nachhaltige Landwirtschaft in der Europäischen Union.
Im Klimaschutzprogramm 2030 der Bundesregierung wird in den Maßnahmen innerhalb des Sektors Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft zum Humuserhalt und -aufbau im Ackerland auf den Ausbau der Förderung von Agroforstsystemen verwiesen und der Aufbau von Innovationsnetzwerken zur Erprobung der Humusanreicherung gefordert.
In der Ackerbaustrategie 2035 des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft werden explizit Maßnahmen u. a. zum verbesserten Bodenschutz, zum gesteigerten Humusaufbau, zur Reduktion von Nährstoffüberschüssen, zu einer Erhöhung
des Klimaschutzes, zur Stärkung der Biodiversität in der Agrarlandschaft, zur Entwicklung klimaangepasster Anbaukonzepte und zur Förderung neuer Absatzmärkte als
Ziele des zukünftigen Ackerbaus genannt. Agroforstsysteme können zum Erreichen
der genannten Ziele beitragen.
In Deutschland sind Agroforstsysteme bisher nicht als landwirtschaftliche Landnutzungsform anerkannt und es fehlt eine klare und kontrollfähige Definition im Agrarförderrecht. Es herrscht große Unsicherheit bei den interessierten Landwirtinnen und
Landwirten, da Agroforstsysteme nicht als ein eigenständiges Anbausystem meldefähig sind. Die fehlende Rechtssicherheit stellt ein großes Problem dar, da Gehölzstreifen derzeit aus der Agroforstsystemfläche herausgerechnet werden müssen und zu
enormen Unsicherheiten bei Flächenkontrollen führt.
Landwirte und Landwirtinnen können daher Agroforstgehölze derzeit nicht als Ökologische Vorrangfläche im obligatorischen Greening der Direktzahlungen der 1. Säule
der GAP nutzen.
Agroforstflächen sind Anbausysteme, die sich aus verschiedenen Komponenten (Gehölze, Ackerfrüchte und/oder Grünland) zusammensetzen und ebenfalls mit Tierhaltung kombiniert werden können. Eine Herausrechnung der Gehölzkomponente aus der
förderfähigen Fläche widerspricht diesem Systemcharakter. Agroforstflächen sind daher auch im Rahmen der Agrarförderung als einheitliches Anbausystem zu betrachten,
bei dem die gesamte Fläche (einschließlich der Gehölzkomponente) als förderfähige
landwirtschaftliche Nutzfläche zu betrachten ist. Dies entspricht auch dem Bundeswaldgesetz, nach dem gemäß § 2 Absatz 2 Agroforstsysteme, genauso wie Kurzumtriebsplantagen, nicht als Wald gelten.
Angesichts der heutigen und künftigen Herausforderungen, vor denen die Landwirtschaft in Deutschland steht, ist es notwendig, unseren Landwirtinnen und Landwirten
eine Vielfalt an Landnutzungssystemen zu ermöglichen und in diesem Zusammenhang
insbesondere auch die Umsetzung der speziell auch auf EU-Ebene als vielversprechende Lösungsoption betrachteten Agroforstsysteme zu ermöglichen.